Kündigung von Franchiseverträgen in den Niederlanden

Franchisegeber müssen in den Niederlanden aufpassen: Verträge können nicht immer entsprechend ihrer Kündigungsregelung gekündigt werden. Unter Umständen muss zusätzlich Schadensersatz gezahlt werden.

 

Ein Franchisegeber kündigt einen Franchisevertrag mit einer jahrelangen Kündigungsfrist, die deutlich länger ist als vertraglich vereinbart. Dennoch muss er dem Franchisenehmer Schadensersatz zahlen. So hat der Hoge Raad, die höchste Instanz in Zivilverfahren in den Niederlanden, kürzlich entschieden[1]. Das Urteil gibt die Grundsätze für die Kündigung von Vertriebsverträgen wieder.

 

Was war geschehen?

Der Franchisegeber Leen Bakker hatte seit 2003 einen Franchisevertrag mit seinem Franchisenehmer. Die vertragliche Kündigungsfrist betrug 13 Monate. In 2020 kündigte der Franchisegeber den Vertrag mit einer Frist von drei Jahren und der Begründung, seinen Vertrieb neu strukturieren zu wollen. Dabei machte er u.a. weiter geltend, dass die neue gesetzliche Regelung von Franchiseverträgen in den Niederlanden eine Belastung bedeute. Leen Bakker wollte den Vertrieb über Franchisenehmer einstellen und die Filialen in Zukunft selbst betreiben. Der Franchisenehmer klagte gegen die Kündigung. Er machte primär u.a. geltend, die Kündigung sei rechtswidrig und deshalb unwirksam. Subsidiär machte er geltend, falls die Kündigung wirksam gewesen sei, müsse Leen Bakker Schadensersatz zahlen.

 

Kündigung des Franchisevertrages und Schadensersatz

Das Gericht war der Auffassung, dass der Franchisegeber die Kündigung hinreichend begründet hat. Die Kündigung mit der dreijährigen Kündigungsfrist war wirksam. Dennoch hat das Gericht Leen Bakker als Franchisegeber dazu verurteilt, dem Franchisenehmer Schadensersatz zu zahlen.

Das Gericht hat alle Umstände des Einzelfalls gewürdigt. Dabei spielte u.a. eine Rolle, dass den Franchisenehmer an der Kündigung kein Verschulden traf, die Länge der Zusammenarbeit, die zahlreichen Investitionen des Franchisenehmers, die dieser noch nicht vollständig abgeschrieben hatte und die Tatsache, dass der Franchisenehmer die Kündigung nicht erwartet hatte.

Der Hoge Raad urteilte u.a., dass aus Treu und Glauben in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls folgen kann, dass an eine Kündigung weitere Anforderungen gestellt werden. So kann daraus folgen, dass eine Kündigung nur möglich ist, wenn ein hinreichend schwerwiegender Kündigungsgrund vorliegt. Zudem können Treu und Glauben mit sich bringen, dass eine hinreichende Kündigungsfrist beachtet werden muss, oder dass der Franchisegeber dem Franchisenehmer mit der Kündigung die Zahlung von Schadensersatz anbieten muss. Das Fehlen eines solchen Angebots macht die Kündigung nicht generell unwirksam, kann aber bei der Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes berücksichtigt werden. Im Einzelfall kann sich aus Treu und Glauben auch ergeben, dass neben der Kündigung die Zahlung von Schadensersatz angeboten werden muss und kann das Fehlen dieses Angebots die Kündigung doch unwirksam machen. Der Umstand, dass der Franchisegeber eine längere Kündigungsfrist beachtet hat, als vertraglich vereinbart war, macht dies nicht anders, kann aber möglicherweise bei der Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes berücksichtigt werden.

 

Kündigung von Franchise- und anderen Vertriebsverträgen in der Praxis

Das Urteil zeigt erneut, dass man sich nach niederländischem Recht bei der Kündigung von Franchise- und anderen Vertriebsverträgen nicht blind auf die vertragliche Kündigungsregelung verlassen darf. Stets müssen alle Umstände des Einzelfalls abgewogen werden. Trotz Beachtung der vertraglichen Kündigungsregelung kann die Zahlung von Schadensersatz im Einzelfall erforderlich sein.

 

Goodwill und Franchiseverträge

Das Urteil erging zum „alten Franchiserecht“ und befasst sich deshalb noch nicht mit der Zahlung eines Ausgleichsanspruchs. Zum 1. Januar 2021 ist die gesetzliche Regelung des Franchiserechts in den Niederlanden in Kraft getreten. Danach muss u.a. jeder Franchisevertrag eine Regelung zur Feststellung des Goodwills für den Fall beinhalten, dass der Franchisegeber nach Beendigung des Franchisevertrages das Unternehmen des Franchisenehmers übernimmt, um es selbständig fortzusetzen bzw. auf einen Dritten zu übertragen. Bitte lesen Sie dazu auch unseren Beitrag zur Goodwillvergütung für Franchisenehmer.

[1] HogeRaad, 29. November 2024, ECLI:NL:HR:2024:1709, Leen Bakker.

Fragen?

Haben Sie Fragen zu einem Vertriebsvertrag nach niederländischem Recht? Wurde Ihr Vertriebsvertrag gekündigt oder beabsichtigen Sie, einen Vertriebsvertrag zu kündigen? Müssen Sie dazu einen Prozess in den Niederlanden führen? Nehmen Sie Kontakt mit dem Autor oder einem der anderen Rechtsanwälte der Abteilung Handels- und Vertriebsrecht oder Prozessrecht in Amsterdam auf.


Wir verfügen über langjährige Erfahrung in der grenzüberschreitenden Vertragsgestaltung, insbesondere zwischen Deutschland und den Niederlanden. Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf unter +31 (0)20 57 47 451 (deutschsprachiges Sekretariat) oder schreiben Sie eine Mail an j.staab@vandiepen.com. Wir beraten Sie gerne, auch in deutscher Sprache.


Joachim Staab, Advocaat & Rechtsanwalt zu Amsterdam.


Herr Staab ist als Advocaat in Amsterdam und Rechtsanwalt in Köln zugelassen. Er berät und führt Prozesse u.a. zum Handels- und Vertriebsrecht, internationalem Kaufrecht und Transportrecht.

Amsterdam
🇳🇱 🇩🇪
Rechtsanwalt, Advocaat, Partner
30/5/25
/
Joachim Staab